Trauma als Tor zum spirituellen Erwachen
„Ich bin überzeugt davon, dass Trauma heilbar ist und dass der Heilungsprozess ein Katalysator für tief greifendes Erwachen sein kann, ein Türöffner für emotionale und echte spirituelle Transformation.“ (Peter Levine)
Alle Menschen, die ich kenne, haben in ihrem Leben mindestens ein Trauma erlebt. Die meisten Menschen können in ihrem Leben diese Erfahrung umschiffen oder abspalten. Wenn wir uns jedoch entschieden haben, den Weg der Liebe, der Wahrheit oder des spirituellen Erwachens zu gehen, funktioniert dieses Umschiffen nicht mehr. Früher oder später treffen wir auf die Trauma-Erfahrung – diese möchte dann bewusst gelöst und integriert werden.
Ein Trauma ist eine Schwellenerfahrung,
die Schwelle zwischen Leben und Tod. Denn unser Organismus wird überwältigt, für ihn geht es in diesem Moment ums Überleben.
Genau auf dieser Schwelle kann sich durch Kapitulation und Hingabe ein Tor in eine andere Erfahrungsdimension auftun, bis hin zum spirituellen Erwachen. Wir können mit tieferen Aspekten unseres Seins in Berührung kommen, z. B. mit der Unsterblichkeit unserer Seele. Dies kann sich in Erfahrungen wie Zeitlosigkeit, Stille, tiefem Frieden, bedingungsloser Liebe, grenzenloser Freude, tiefer Präsenz oder auch außerkörperlichen Erfahrungen äußern.
Menschen mit Nahtod-Erfahrungen berichten u. a. von einem tiefen, bisher unbekannten Frieden, von gleißendem Licht, von der Erfahrung, ihren Körper von oben zu sehen, von tiefer Freude oder dem Gefühl des Zu-Hause-angekommen-Seins.
Menschen, die den Tod eines nahestehenden Menschen erlebt haben, können erfahren, dass etwas bleibt: Die Liebe bleibt! Und meistens bleibt für eine gewisse Zeit auch ein Seelenanteil im Kontakt mit dem Zurückgebliebenen.
Viele Menschen, die einen Unfall erlebt haben, erfahren während des Unfalls so etwas wie Zeitlosigkeit, als würde die Zeit stehen bleiben oder alles in Zeitlupe geschehen. Sie erleben währenddessen Frieden und völlige Angstfreiheit.
Wir können also schon während des traumatischen Ereignisses durch innere Kapitulation und Hingabe mit tieferen Aspekten unseres Seins in Berührung kommen. Kapitulation und Hingabe wirken wie ein Katalysator für tiefe spirituelle Transformation und erweitern so unser Bewusstsein. Durch diese Erfahrung können wir das Trauma, welches noch im Körper steckt, leichter lösen und integrieren.
Aber auch in der Trauma-Heilarbeit nach dem traumatischen Ereignis, kann sich das Tor zum spirituellen Erwachen öffnen.
Wir können in Begleitung die enorme Ladung der Überlebensenergie, die während des traumatischen Ereignisses entstanden ist, Schritt für Schritt lösen. Wir können sie wieder in unser Nervensystem und unsere psychische Struktur integrieren. Ist die Ladung weitgehend abgebaut, können wir auch die Schwellen-Erfahrung neu und mit Hingabe erfahren. Dadurch kann eine tiefe spirituelle Transformation geschehen.
Dies gilt sowohl für Schock- als auch für Entwicklungstrauma.
Was ist Hingabe?
Hingabe ist eine innere Haltung, wir können sie nicht machen, sie ist eher ein Loslassen. Hingabe bedeutet, unser Tun und Halten zu beenden und uns dem Geschehen zu überlassen. Es bedeutet, uns etwas Größerem anzuvertrauen und die Wertung herauszunehmen, ob etwas gut oder schlecht ist. Wenn wir uns hingeben, nehmen wir das Leben sowie das Sterben an, und das macht uns frei! Frei von Angst und einengenden Vorstellungen. Stattdessen nehmen wir einfach wahr, was von selbst geschieht – es entsteht eine Seins-Qualität.
Im Trauma erfahren wir Hilflosigkeit, Ohnmacht und Kontrollverlust. Wir sind in der Haltung des Opfers. Hingabe ermöglicht uns eine Bewusstseinserweiterung – unsere Wahrnehmungsperspektive erweitert sich. So können wir durch Hingabe unsere Opferhaltung beenden und unser Leben annehmen, wie es ist: ein Geschenk!